Sonntag, 8. Januar 2012

Augustenruh



Maribor. Man ist mit der Stadt umgegangen, als hätte man eine zweite im Keller. Die Verletzungen, die Wunden, die man diesem doch eigentlich sensiblen Organismus zugefügt, geschlagen hat, sind gewaltig - und irreparabel. Und doch sollte man mit der Kommune nicht zu hart ins Gericht gehen. Es wäre ohnehin sinnlos. Sie hat nur gemacht, was wir alle von ihr erwarten. Letztlich tragen wir selbst die Verantwortung für die endlose Zahl städtebaulicher Nachlässigkeiten und Verfehlungen.

Augustenruhe

Dennoch gibt es nicht wenige Stellen, Flecken, Plätze, Orte, an denen man sämtliche Konvulsionen hinter sich lassen und durchatmen kann. Der Weinberg gehört ohne Zweifel dazu. Die Nachmittagssonne wärmt, es geht steil bergauf. Wenn man sich nicht auskennt, muss man ein bisschen suchen, wo aus der unteren Stadt kommend es hier hinauf abzweigt: zwischen schmalen Altbauten, die Treppen neben dem Pilgerfriedhof hinauf, dann der steile Pfad, dann die Querung. An den noch unbebauten Grundstücken sind die Terrassen des einstigen Weinbergs nicht zu übersehen. Wer hier wohnt, hat das große Los gezogen! Ich befinde mich am Südhang der bewaldeten Höhe mit dem schlichten Namen Augustenruhe. Nichts verstellt den Blick, weil der Hang steil ansteigt wie ein Hörsaal für Medizin. Die Häuser: Eines residiert über dem anderen, jedes hat Licht, Sonne und Aussicht auf das Schloss. Das dominiert großartig den Berg gegenüber. Im Sommer gibt es auf dem Weg Eidechsen.

Oben auf der Höhe und im Wald stoße ich auf einen ein Obelisken aus rotem Sandstein. Da steht zu lesen:


Am 13ten Mai 1814 weilte sinnend an dieser Staette sich freuend des Anblicks der grossen und schoenen Natur unsere hochverehrte Kurprinzessin von Hessen Friederike Auguste Christiane. Der Erinnerung dieses schoenen Tages weihen einige Bewohner Marburgs diesen Denkstein. - Verfertiget im Noveb: 1814 von F: J: Dauber dahier




Kurprinzessin Friederike Auguste Christiane oder Friederike Gräfin von Hessenstein ist, wie ich vermute einer Nebenlinie des Hessischen Fürstenhauses Lothringen-Brabant zuzurechnen. Ganz sicher bin ich nicht. Als sich die Prinzessin des Anblicks der großen und schönen Natur hier oben erfreute, war sie neunzehn Jahre alt.

Ich bin seit Stunden unterwegs und mache es mir deshalb neben einer Schutzhütte unterhalb des Obelisken bequem. Der Wald, der mich umschließt, die großen Bäume lassen immerhin einen schmalen Ausblick auf das Schloss zu. So hat die Stadt doch auch immer etwas zu verschenken.

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